Auf all diese Fragen gab es auf der knapp dreistündigen Exkursion mit Holger Sticht (BUND NRW und Bündnis Heideterrasse e.V.) natürlich auch Antworten.
Das andere Stichwort: Wildgehege. Wo wir schon am Zaun des Damhirsch-Geheges standen, gleich ein paar Worte dazu. Dass wilde Tiere sich besser frei in ihrer natürlichen Umgebung bewegen können sollten, scheint logisch. Aber sind Damhirsche eigentlich einheimische Wildtiere? Und was ist mit den Wisenten, von denen man im Wildpark auch eine kleine Herde zu sehen bekommt? Sind die nicht etwas groß, und gefährlich, in einem ja nicht soo großen Dünnwalder Wald? Und fressen die dann nicht ganz schnell den Wald auf, wenn das ja schon den kleinen Rehen unterstellt wird?
Häufig gestellte Fragen, die noch häufiger mit „ja“ beantwortet werden (ja, die Rehe müssen geschossen werden, damit sie die Jungbäume nicht auffressen; ja, der Wisent ist zu groß, er gehört nicht mehr in unsere Wälder). Diese Antworten kommen aber meist aus Förster- oder Jäger-Perspektive. Dass sie in den Medien weit verbreitet werden, bedeutet aber nicht, dass sie so stimmen. Der/Die eine oder andere TeilnehmerIn hatte vielleicht auch schon Zweifel und hatte sich genau deshalb dieser Exkursion angeschlossen, in der Hoffnung, „alternative Fakten“, aus Naturschutz-Perspektive, geliefert zu bekommen. Diese Hoffnung wurde nicht enttäuscht.
Allerdings: die Antworten von Holger Sticht fielen nicht so kurz und eindeutig aus wie jene die man kennt. Eine Erkenntnis war: es ist komplex, und so genau kann man eben nicht vorhersagen, was passieren würde, wenn man die Forstwirtschaft im Dünnwalder Wald einstellen und die Jagd auf Rehe und Wildschweine komplett einstellen würde. Naturwissenschaftler und Naturschützer nicht, aber Förster und Jäger eben auch nicht. Dabei liefert gerade der Wildpark beim Anblick der hier gezeigten Pflanzenfresser, einschließlich Wisent, Antworten, wenn man ein paar Dinge weiß, und den Gedanken selber weiter spinnt. Dinge, die man dazu wissen muss: Außer den wohlbekannten Rehen und Rothirschen, die für das Auffressen unserer Wälder verantwortlich gemacht werden, würden noch viel mehr Huftiere durch unsere Rheinische Landschaft streifen, wenn sie nicht von uns Menschen ausgerottet oder verdrängt worden wären. Wie der Wisent, der ausgerottete Auerochse, das Wildpferd, Damhirsch, Elch. Und eigentlich müsste man auch noch Waldelefant, Waldnashorn und Riesenhirsch dazu zählen, die in allen vergangenen Warmzeiten präsent waren.
Der Gedanke, den es nun weiter zu spinnen gilt, ist dieser: Wenn es alle diese pflanzenfressenden Tiere gegeben hat, und ohne uns Menschen auch geben würde: Warum haben sie dann nicht in der Vergangenheit schon den Wald aufgefressen, und unsere Landschaft in eine Wüste, oder Steppe verwandelt? Wieso sind Eichen und Buchen von ihnen nicht komplett weggefressen worden?
Ist vielleicht auch egal, denn wir haben für diese Urlandschaft, Wildnis, ja auch gar keinen Platz mehr. Zumindest nicht im Dünnwalder Wald. Wie soll hier eine Wisent-Herde leben können, ohne SpaziergängerInnen über den Weg oder Haufen zu rennen, vor ein Auto, zwischen all den Siedlungen? Gut, der Dünnwalder Wald ist vielleicht tatsächlich nicht als Wisent-Heimat geeignet, wobei, naturwissenschaftlich genau hat das auch noch niemand untersucht. Wird aber gerade gemacht für die Wahner Heide. Da ist schon mehr Platz. Mal schauen.
Dass sie die sehr wohl haben, konnten wir an anderer Stelle sehen, nämlich da, wo durch welchen Einfluss auch immer (Einschlag, Altersschwäche, Rothirsch) eine Lücke in dem sonst geschlossenen Wald entstanden ist. Hier wachsen Jungbuchen, ohne dass man sie pflanzen müsste, aber auch andere Pionierarten wie die Himbeere. Gut, aber nochmal zum Reh: Würde das nicht all diese Jungbuchen auffressen, wenn es hier nicht geschossen würde und damit keinen großen Fraßdruck ausüben kann? Denn es fehlt ja der Wolf, der durch den Jäger ersetzt wird?
Zum einen: irgendeine Buche wird es schon schaffen, und wenn es nur eine ist. Oder Eiche. Damit diese eine es schafft, braucht es bestimmte Voraussetzungen. Zum Beispiel ein Brombeer- oder Weißdorn-Gebüsch, wo sie vor Verbiss geschützt ist. Was aber erst entstehen kann, wenn es Offenflächen gibt. Die Natur hat eben geschlossenen Wald vorgesehen und nicht so viele Bäume. Also zumindest im Naturschutzgebiet: gerne weniger Bäume, zugunsten der Biotop- und Artenvielfalt.
Und dann die Sache mit dem Wolf: Die Naturwissenschaft weiß es längst, dass nicht der Beutegreifer (Wolf) die Anzahl der Beutetiere (Hirsch, Reh) bestimmt sondern umgekehrt. In den Medien hat sich aber die einfache Formel aus Jäger-Perspektive durchgesetzt: Weil der Wolf ja leider noch nicht zurück gekehrt ist, müsse er durch den (menschlichen) Jäger ersetzt werden. Um das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Ja, der Wolf spielt natürlich eine wichtige Rolle für unser Ökosystem, aber eher durch seine ständige Präsenz, wodurch er das Verhalten von Reh und Hirsch beeinflusst.
Zum Abschluss kamen wir noch auf die Frage, wo eigentlich das Dünn vom Dünnwald herkommt? Von der Dhünn (dem Fluss)? Oder von den Dünen, die großteils inzwischen überwachsen, teils aber noch zu erkennen sind? Eine klare Antwort konnte (mal wieder) nicht gegeben werden, aber die Vermutung: dass die Dhünn ihren Namen von den Dünen erhalten, und über diesen Umweg der Dünnwald ebenfalls den seinen erhalten hat. Genug Fragen, denen man nochmal nachgehen kann, vielleicht bei der nächsten Exkursion, vielleicht in einem der anderen Heideterrassen-Teilräume, wie Schluchter Heide, Wahner Heide, Königsforst oder Lohmarer Wald.
Eine Zusammenfassung dieser Exkursion in fünf Video-Beiträgen gibt es übrigens hier.